Auf einer aufgeschütteten Insel vor dem alten Siedlungskern stehen die Zollschuppen, zwei alte Lagerhäuser aus rotem Backstein (赤レンガ倉庫), die heute mit ihren Geschäften, Restaurants und Veranstaltungsflächen ein wichtiger Publikumsmagnet sind. Hier kann man flanieren oder mit einer Tasse Kaffee den Blick auf das bunte Treiben und den Hafen genießen.
Die Insel, auf der die Gebäude stehen, wurde 1899 als erste im großen Stil geplante Hafenanlage, an der Seeschiffe direkt anlegen konnten, aufgeschüttet. Gebaut wurde sie für das neue Zollamt — es wurde während des Kantō-Erdbebens 1923 zerstört, die inzwischen wieder freigelegten Grundmauern sind neben den Lagerhäusern zu besichtigen — so dass das japanische Finanzministerium beim Bau die Federführung hatte. 1913 waren dann auch die beiden imposanten Lagerhäuser fertiggestellt. Leider wurden auch sie beim Kantō-Erdbebens stark beschädigt und später nie wieder in ihrer alten Größe aufgebaut.
Da Ziegelsteinbauten dazu neigen, bei Erdbeben wie ein Haufen Bauklötzchen umzufallen, ist es ein Glücksfall, dass die Gebäude überhaupt noch stehen. Die Baumaterialien waren auch erlesen, davon kann sich jeder Besucher ein Bild machen, wenn er die in den Boden eingelassenen Schaukästen des südlichen Gebäudes betrachtet: Besonders Stahlbauteile wie Doppel-T-Träger und Blitzableiter wurden direkt aus England importiert. Interessant sind auch die Rollen der großen hängenden Schiebetüren mit ihrem eleganten Design. Entworfen wurden die Gebäude von Tsumaki Yorinaka, der in Yokohama bedeutende Bankgebäude geschaffen hat und als einer der drei größten japanischen Architekten seiner Zeit gilt. Er hat mit den beiden Zollschuppen die modernsten Lagerhäuser seiner Zeit geschaffen: Sie waren die ersten Gebäude Japans mit Fahrstühlen, Blitzableitern und Hydranten.
Anfangs sollten die imposanten Bauten sie der Stadt helfen, den wachsenden Häfen von Kōbe und Ōsaka die Stirn zu bieten, aber schon nach dem Zweiten Weltkrieg brachen schwierige Zeiten an: Da das Hauptquartier der amerikanischen Besatzungsmacht direkt vor der Tür lag, durften bis Mitte der 50er Jahre keine Schiffe mehr hier anlegen. Mit dem Abzug des amerikanischen Hauptquartiers aus der Innenstadt Yokohamas und dem rasanten Wirtschaftswachstum erlebten sie noch einmal eine Blütezeit, um mit der Einführung der Container und den immer größer werdenden Frachtschiffen ab Mitte der 70-er Jahre endgültig an Bedeutung zu verlieren. 1989 wurden sie dann ganz aufgegeben und standen leer.
Bis die beiden Gebäude 2002 wieder eröffnet und ihrer neuen Nutzung übergeben werden konnten, musste jedoch noch einiges geschehen: Zunächst hat die Stadt sie vom Staat gekauft, um sie als Teil des Projekts Minato Mirai 21 umzunutzen. Weitere Schuppen, die später um die beiden Lagerhäuser herum entstanden sind, wurden abgerissen, statt des Bahnhofs der Hafenbahn und zwischen den Gebäuden entstanden freie Plätze, die heute für Veranstaltungen genutzt werden können. Auch die Gebäude selbst mussten erdbebensicher saniert und für die neuen Nutzungen fit gemacht werden. Dabei wurden jedoch darauf geachtet, dass sie nicht nur von außen, sondern auch in den Innenräumen möglichst ihr Aussehen behalten.
Zuletzt geändert am 03.01.2009
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Das obere Foto der Zollschuppen basiert auf eine Abbildung aus Wikipedia Commons. Foto: TYORON2. Lizenz: Creative Commons 表示-継承 3.0 Unported.